der Wohngemeinschaft Maria-Martha
Bereits vor der Gründung des Maria-Martha-Heimes hatten sich die Schwestern des Zisterzienserinnenordens in Panschwitz-Kuckau der Arbeit mit jungen Menschen verschrieben. Das Kloster St. Marienstern unterhielt von 1826 bis zum 2. Weltkrieg in den Gebäuden des Klosters eine Mädchenschule und eine weiterführende Mädchenschule, das St. Josephs-Institut mit kaufmännischer und hauswirtschaftlicher Ausrichtung. Die Klosterschulen mussten auf Betreiben der Nationalsozialisten geschlossen werden. Im Kloster wurden Flüchtlinge aus Bessarabien untergebracht. Die Schule konnte auch nach dem Krieg nicht wieder eröffnet werden. In der sozialistischen DDR durften die Kirchen und Ordensgemeinschaften keine eigenen Schulen mehr betreiben, bzw. wurde den Absolventen die staatliche Anerkennung versagt.
Mutter Anna MeierMitte der 60er Jahre hatte der Konvent unter der damaligen Äbtissin Mutter Anna Meier (1954 -1986 Äbtissin des Klosters St. Marienstern) entschieden, sich wieder im sozialen Bereich zu engagieren. Die Schwestern eröffneten ein Heim für Mädchen mit geistiger Behinderung. Zwei Zisterzienserinnen wurden als Fachkrankenschwestern ausgebildet, darunter die spätere Äbtissin Mutter Benedicta. Parallel dazu begann 1967 der Aufbau des Heimes, welches den Namen „Maria-Martha-Heim“ tragen sollte. Das Haus entstand aus den Kriegsruinen des ehemaligen Institutsgebäudes, in dem sich heute die Förderschule (G) befindet.
Die Einweihung der Wohnstätte, die Platz für 80 Mädchen bot, erfolgte am 15. August, dem Tag „Maria Aufnahme in den Himmel“, im Jahr 1972. Im Januar 1973 zogen die ersten Bewohnerinnen ein. Bereits Ende 1973 war die vollständige Auslastung der vorhandenen Kapazität erreicht. Die Mädchen lebten in Wohngruppen zu 8-16 Bewohnerinnen auf zwei Etagen. Die Wohnbedingungen unterschieden sich grundlegend von den heutigen Standards. Statt Einzel- oder Doppelzimmern gab es große Schlafsäle, statt Einzelbädern gab es Gemeinschaftsduschen und Waschsäle. Für die Mädchen bedeutete der Einzug ins Maria-Martha-Heim eine deutliche Verbesserung ihrer Lebenssituation. Sie kamen aus umliegenden Psychiatrien und Heimen. Viele Mädchen waren in erbarmungswürdigem körperlichem und seelischem Zustand. Sie erfuhren nun – manche zum ersten Mal in ihrem Leben – persönliche Zuwendung und Förderung.
Es war ein schwerer Anfang. Die frisch ausgebildeten Schwestern hatten keine praktische Erfahrung. Die meisten anderen Mitarbeiterinnen waren erfahrene Hausfrauen und Mütter aus dem Umland, mit viel Empathie und Engagement, jedoch ohne jegliche Erfahrung in der Arbeit mit behinderten Menschen. Pädagogische Unterstützung und Schulung erhielten sie von einigen wenigen Erzieherinnen mit kirchlicher Ausbildung. Der Beginn wurde zudem massiv erschwert durch eine Epidemie, die wochenlang auf einem der beiden Wohnbereiche grassierte.
Die engagierten Frauen meisterten die täglichen Herausforderungen mit Geduld, Empathie und gesundem Menschenverstand. Gerade dieser Pragmatismus und die Orientierung am „normalen Leben“ führten dazu, dass die Mädchen eine gute Förderung erhielten, ihre Fähigkeiten entwickeln konnten und viele Fertigkeiten erlernten. Eine große Rolle in der Erziehung spielte die Förderung des sozialen Zusammenhalts und die Ausbildung sozialer Fähigkeiten. Die Mitarbeitenden ließen ganz wesentlich ihre eigenen Erfahrungen aus ihrem (sorbischen) Alltag einfließen: das Erleben der Sicherheit in einer solidarischen Gemeinschaft, christliche Traditionen, handwerkliches Geschick und hauswirtschaftliche Fähigkeiten als wichtige Säulen eines zufriedenen Lebens. Und diese Sozialisation ist in den Häusern noch heute zu erleben.
Das Maria-Martha-Heim galt schon bald als sehr fortschrittlich. Zu DDR-Zeiten gab es keine Schulpflicht (damit auch kein Recht auf Bildung) für Kinder mit geistigen Behinderungen. So wurde im Maria-Martha-Heim ein eigenes Förderprogramm entwickelt. Es gab vielfältige Angebote mit kulturellen und sportlichen Programmen und festgeschriebenen Lernzielen. Sehr schmerzhaft war, dass volljährige Bewohnerinnen die Einrichtung wieder verlassen mussten. Es fehlte die Anschlussförderung. Es wird erzählt, dass sich einige Bewohnerinnen anlässlich einer Firmung mit diesem Anliegen an Bischof Schaffran gewandt hätten. Er versprach Unterstützung und er hielt sein Versprechen. In der Folge konnten die volljährigen Bewohnerinnen dann die sogenannte Arbeitstherapie besuchen. Diese war damit die „Vorgängerin“ der Werkstatt. Manche Bewohnerinnen arbeiteten auch in der Hauswirtschaft des Konvents mit.
Dazu erfolgte im heutigen „Annahaus“ ein umfassender Umbau. Im Erdgeschoss wurde die „Werkstatt“ eingerichtet, im ersten Stock fand die Förderschule Platz und im Obergeschoss bezogen 20 der nun erwachsenen Frauen ihr neues zu Hause. Sie konnten somit in ihrer vertrauten Umgebung in Panschwitz-Kuckau bleiben. Der Alltag dieser Wohngruppe gestaltete sich sehr familiär. Man teilte sich die häuslichen Pflichten und auch die Freizeit wurde gemeinsam verbracht.
Zur Wendezeit kam ein gewaltiger Umbruch. Man musste sich in die neuen Gesetze und Auflagen einfinden, diese auch umsetzen. Unterstützung erhielten die Schwestern in dieser Zeit vom wieder gegründeten Diözesancaritasverband, der einige Jahre als Co-Träger agierte.
Ende der 1990er Jahre erfolgte die nächste Erweiterung. Aus einem Teil der ehemaligen Wirtschaftsräume der Landwirtschaft im Klosterhof entstand das Josefshaus mit 32 Plätzen. Der Name des früheren St. Josephs-Institut wurde also wieder aufgegriffen. Die Werkstattbesucherinnen des Annahauses zogen in die neuen Räumlichkeiten. Auch Menschen, die bisher noch bei den Eltern gelebt hatten, fanden im Josefshaus ein neues Zuhause. Der im Annahaus entstandene Freiraum konnte genutzt werden, um auch dort zeitgemäße Räumlichkeiten zu schaffen.
1998 schließlich konnte die Einweihung des Teresahauses als Wohnpflegeheim gefeiert werden. Seit März 1999 ist es das Zuhause für 14 schwerstmehrfachbehinderte Menschen.
Seit 2004 gibt es das Angebot einer Außenwohngruppe (AWG) in einem Flügel des Panschwitzer Hofes. In den Gebäuden des ehemaligen Vierseithofes befindet sich auch die Werkstatt „St. Michael“. In der AWG „St. Elisabeth“ wurde in mehreren Teilschritten Lebensraum für aktuell 14 Personen geschaffen.
In 2006 bezog die Förderschule (G) die Räumlichkeiten des alten Maria-Martha-Heimes und das Annahaus nahm in der heutigen Ausstattung seinen Betrieb auf.
Im Erdgeschoss des Annahauses wurden Räumlichkeiten für die sogenannte „Interne Tagesstruktur“ geschaffen. Hier erhalten derzeit 10 Bewohner_innen, die aufgrund der Schwere ihrer Beeinträchtigung keinen Rechtsanspruch auf einen Werkstattplatz haben, sinnvolle und tagesstrukturierende Angebote.
Aus dem Namen „Maria-Martha-Heim“ wurde die „Wohngemeinschaft Maria-Martha“. Sie umfasst alle Wohnangebote des Klosters, wo derzeit 109 Menschen ihr Zuhause in zeitgemäß ausgestatteten gemütlichen Häusern gefunden haben.
Als Komplettierung des Wohnangebotes der Wohngemeinschaft Maria-Martha wurden 2019 zwei weitere Wohnformen etabliert: die sogenannte „weitere besondere Wohnform“ mit 6 Plätzen und die „weitere besondere Wohnform Flex“ mit 16 Plätzen. Das Ziel dieser Wohnformen ist es, die Menschen mit Behinderung in ihrer selbständigen Lebensführung in ihrem selbst gewählten Wohnumfeld bedarfsgerecht und individuell zu unterstützen.
Die Verantwortlichen ruhen sich nicht auf dem Erreichten aus. Stets wird geschaut, wie die Angebote bedarfsgerecht weiterentwickelt werden können.